Tischtennis: Ins Plopp mischt sich ein Klock

Geschrieben von Odenwälder Zeitung am . Veröffentlicht in 2009

Balance: Thorsten Schwinns Aktionen an der Platte sind ein Akrobatenstück.

Mörlenbach. Das Quietschen ist irgendwie anders. Nur ein Turnschuh tanzt auf dem Hallenboden zum Klock, Klock. Von der anderen Seite des Tisches mischt sich ins Plopp, Plopp ein unregelmäßiges Tripp-Trapp. Tischtennis mit Thorsten Schwinn macht schon beim Hinhören neugierig. Und das Zusehen erregt Staunen: Da retourniert einer, auf nur einem Bein stehend, in traumwandlerischer Sicherheit das Zelluloidbällchen punktgenau. Scheinbar mühelos forciert der 31-Jährige das Tempo und schmettert bilderbuchmäßig in die Ecke zum Punktgewinn.

"Meine Bewegungen sind unorthodox, aber die Schläge kommen aus dem Lehrbuch", sagt Thorsten Schwinn, der beim SV Mörlenbach seit Sommer die Leistungsgruppe im Kinder- und Jugendtraining betreut. Als Sechsjähriger hat Schwinn sein rechtes Bein verloren, das hält ihn aber nicht davon ab, wie eine Eins an der Platte zu stehen.

Mit Abstand zur Platte

"Im Gegensatz zu meinen Konkurrenten, die ganz dicht am Tisch sind, halte ich etwa ein oder zwei Meter Abstand. Bei mir gibt es Abwehr und Angriff in einem ", sagt Schwinn und schlägt wie zum Beweis eine klassische Ballonabwehr. Akrobatisch ist der Aufschlag. Wo Timo Boll und Co. darauf achten, die Angabe vor dem Gegner zu verdecken, muss Schwinn erst einmal seine Gehhilfe griffbereit halten, die schließlich blitzschnell wie ein Zauberstock in die linke Hand wirbelt: "Wie das geht, kann ich gar nicht erklären. Das ist ein Automatismus."

Das Spiel selbst beigebracht

Thorsten Schwinn hat sich sein Spiel größtenteils selbst bei- und inzwischen zur Perfektion gebracht. In Deutschland ist er sowieso der Beste, auch international hält der Münsteraner die Balance und schlägt regelmäßig Spieler aus den Top Ten. "Fußgänger", so nennen die Behindertensportler ihre nicht gehandicapten Gegner, müssen sich vorsehen: "Ich fühle mich nicht behindert. Wenn überhaupt, dann hat mein Gegenüber ein Problem und ist blockiert, weil er mich vielleicht nicht ausspielen will." So ist das, wenn ein Krückstock zum Trugschluss führt.

In der Verbandsliga tritt Schwinn für die TG Oberthausen an, bald vielleicht auch für den Oberligisten SV Mörlenbach? "Warum nicht", kann sich Schwinn vieles vorstellen. Spätestens als er im vergangenen Jahr vom Bundestrainer aus unerfindlichen Gründen nicht für die Paralympics in Peking nominiert wurde, weiß Schwinn, dass im Sport nicht immer alles nach Plan verläuft.

Bereits 2004 rechnete Schwinn als 18. der Weltrangliste mit einer Teilnahme in Athen und wurde das erste Mal enttäuscht. Noch härter traf ihn die Ausbootung 2008, "weil ich angeblich nicht im Training war." Dabei sei er in Bestform gewesen und habe dies auch unter Beweis gestellt: "Bei einem Turnier in Polen verlor ich gegen die Nummer eins der Welt erst in der Verlängerung des Entscheidungssatzes. Auf Sizilien besiegte ich den Weltranglistenzweiten."


Balance: Thorsten Schwinns Aktionen an der Platte sind ein Akrobatenstück.

Eine Welt sei zusammengebrochen, als er nicht nach China fahren durfte. Der Einschnitt kam noch härter, denn Schwinns sämtliche Sponsoren sprangen ab.
Jetzt muss er von vorne anfangen und sich Unterstützung suchen. "Ich bin erst einmal in ein Loch gefallen", verspürte Schwinn wenig Lust auf Tischtennis.

Strapazierte Sportschuhe

Inzwischen ist er aus der Deckung gekommen und denkt an die Paralympics in London 2012 - "der dritte wäre aber dann sicherlich mein letzter Anlauf." Auf dem Weg dahin wird Thorsten Schwinn noch einige Sportschuhe kaufen müssen. Seine Treter werden stark strapaziert: "Pro Jahr brauche ich zwei bis vier Paar. Durch meine Bewegungen schleift sich der Schuh eben schnell ab."

"Kinder verstehen schneller"

Herr Schwinn, wie reagieren Ihre Schüler, wenn sie sehen, dass Sie nur ein Bein haben?
Schwinn: Überall, ob im Training oder in der Schule wird zunächst gestaunt. Ich erkläre den Kindern meine Behinderung und sie verstehen schneller als Erwachsene. In der heutigen Zeit kann man mit einer Behinderung alles machen, nur muss man es anders machen.

Die Jugendmannschaft des SV Mörlenbach sorgt in der Hessenliga für Furore. Ist der Titel möglich?
Schwinn: Meister zu werden ist sehr schwer. Aber wir haben eine sehr gute Mannschaft, die als Tabellenzweiter sicherlich die Möglichkeit dazu hat.

Die Spieler dürfen sich aber nicht auf den Lorbeeren ausruhen?
Schwinn: Nein, wenn ein Schüler 80 Prozent der Spiele gewinnt, besteht die Gefahr, dass er überheblich oder faul wird. Dann ist es auch schwierig, den Hebel zum Umschalten wieder zu finden. Beg

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